Pott Pearls

Das vielgeschmähte, einst voller Ruß und Schlote, mein Land im Westen, wo über Hochöfen der Himmel brennt. Wo die Augen der Großväter leuchteten in müden Gesichtern, bedeckt mit dunklem Staub, der von der Kohle zeugte. Mit schwieligen Händen aus dem Schacht gegraben.
Und meine Stadt, die spröde, die oft nach Seeluft schmeckt. Nicht mehr so ganz im Inland und doch noch nicht am Meer. Da, wo alte Kerle „anne Bude“ gehen. Bei Bier und Kurzem mit den Kumpels reden. Über Rot-Weiß und über Kalle von nebenan, den seine schwarze Lunge langsam um die Ecke bringt. Mit schweren Schuhen schlurfen sie durch schmutzigbraunen Schnee. Über ihnen der Himmel, grau und drückend wie die Last der Jahre. Doch wenn sie lachen spürt man Sonne. Mutter heisst „Mudder“. Man sagt: „Komma här“ wenn man sich ruft. Und viele Worte klingen rauh und schroff wie alte Steine, dort, wo man oft auch mit dem Herzen sieht.
Wo am Kanal die Kähne tief im Wasser liegen. Wo braungebrannte Bengels von der Brücke springen. Sie lachen, wenn das Wasser aufspritzt. Voll prickelnder Erleichterung und weil die Mädchen kreischen vor Angst. Und aus Bewunderung.
Wie oft hab ich ihn schon verlassen, fand sanfte Hügel, weites Meer, fand liebevolle Worte in einem anderen Land. Wie oft sprach ich davon, nie mehr zurückzukehren. Ich weiss, das Paradies hat er mir nie versprochen. Doch wenn ich aus den sonnig süßen Weiten mich langsam auf ihn zu bewege, den Kreis durchbreche und die schwere Luft mir fast den Atem nimmt, dann singt ganz leise auch ein Liebeslied in mir. Ein Lied für seine grauen Städte und sein helles Herz. Ruhrpott, so unfassbar. So rätselhaft vertraut. So bittersüß geliebt.

2 Gedanken zu “Pott Pearls

  1. Wunderbar getroffene Worte für den ‚Ruhrpott‘.
    Sie wecken Erinnerungen an meine Kindheit in mir.
    Erinnerungen an das Atmen der Schwerindustrie in der Nacht, was einen bis in die Träume begleitet und einhüllt. Und an die von dem rotglühend erleuchteten Nachthimmel durch die Abstiche der Hochöfen am Horizont oder die vom gelb aufflackernden Dunst über dem Walzwerk, wenn die hell glühenden Stahlblöcke auf die Walzen donnern und unter Zischen und Knallen durch Wasserstrahlen der Zunder weggesprengt wird.

    Liebe Grüße, Tamaro

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