Woanders

Wollte zum Abschied ein Lied für dich schreiben, ganz in Moll, nur in der Mitte heimlich einen Dur-Akkord. Verdammt, ich kann doch keine Noten und spiel kein Instrument. Du siehst, du solltest besser bleiben. Und außerdem ist Abschied nicht mein Element. Schon klar, damit bist du nicht zu erweichen. Vielleicht lern ich noch schnell Posaune, Akkordeon oder Klavier? Noch besser wär’ Gitarre. Ja. Drei bis vier Akkorde sollten reichen. Die merk ich mir und ging zum Terminal. Da würd’ ich singen, laut, falsch und ganz besonders schrill. Alle Leute würden’s hören und wissen, dass hier Einer ist, der weg geh’n will.  Ich würde ungeheuer peinlich sein. Schlimmer als bei Wahrheit oder Pflicht. Und weil kein Baum da wär, würde ich irgendwas erklimmen. Vielleicht eine Laterne. So genau weiß ich es gerade nicht. Verstörend dissonant ließ ich die Finger über Saiten holpern und stimmte alte Schlager an, Vicky Leandros, Udo Jürgens, vielleicht auch Freddy Quinn. Es gibt keine Laternen dort? Egal, ich würde trotzdem durch die Töne stolpern und du könntest nicht weg, weil du am Check-In  anstehst für den Flug nach Nirgendwo. Mal ehrlich, wer außer dir will denn da hin?
Du würdest dich noch umdreh’n, zu mir sagen: „Hör auf, mit dem Geheule, das ist so grottenschlecht, dass man am liebsten auf der Stelle sterben will“.  Und ich würd’ rufen: „Das geschieht dir recht. Bleib bloß nicht stehn. Geh weiter. Einfach weiter. Los hau schon ab. Ich will dich weg gehen sehn“.
Dann lachtest du, sähst mich an und sagtest: „Machs gut. Es war nicht schlimm mit dir.“
Ich würde schweigen. Und wenn du weg wärst, würde ich so tun, als ob ein Staubkorn mir ins Auge flog, würd drüber lachen…..ach, und überhaupt, du wärst ja gar nicht weg. Wärst nur Woanders. Das ist die Wahrheit.
Aber auch ein kleiner Selbstbetrug.

Ein Gedanke zu “Woanders

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