Kleine Um-entscheidung mit großer Wirkung

Vor kurzem entdeckte ich im Internet einen offenen Brief, der sich an die türkische Autorin Asli Erdogan richtet, die wegen ihrer Schriften Ende 2016 in der Türkei verhaftet wurde, mehrere Monate im Gefängnis saß und die im September dieses Jahres keine Ausreiseerlaubnis bekam, um in Deutschland einen Literaturpreis in Empfang zu nehmen.

Alleine diese Tatsache ist für mich berührend genug, und seit den ersten Verhaftungen in der Türkei schwanke ich zwischen Zorn und Hilflosigkeit. Dieser Brief erwischte mich heisskalt, rührte an mein Gerechtigkeitsgefühl, an mein Frau sein und spielte mühelos auf dem Klavier meiner Emotionen. Ich meine das in einem sehr positiven Sinn. Sätze wie:
„Lasst uns unsere Worte nehmen, einen langen Atem und lasst uns Lichtspuren aus Mut und Menschlichkeit legen, um gegenzuhalten und niemals angstvoll zu schweigen!
Wir sind keine Helden. Wir werden nie Helden sein.
Aber wir sind jetzt an der Reihe. Mehr denn je“,
trieben mir die Tränen in die Augen.

Das große Miteinander unter Frauen, das oft der Konkurrenz und dem Neid geopfert wird, und das ich mir immer wünsche, hier wurde es für mich spürbar durch die Sätze eines Briefes.
Es dauerte nicht lange, dann hatte ich die Verfasserin bei Facebook gefunden und schickte ihr eine Freundanfrage. Sie nahm mich schnell und herzlich in ihren Freundeskreis auf und der Austausch war sofort „barrierefrei“.
Vorgestern schrieb sie in ihrem Status bei Facebook, dass sie eine Lesung in meiner Heimatstadt haben würde. Fantastisch, dachte ich. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, an einer Buchvorstellung mit Sven Regener teilzunehmen, den ich allein schon wegen seiner Lieder sehr mag, aber die Berührung durch den offenen Brief an Asli Erdogan war nachhaltig. Ich wollte die Verfasserin  erleben, das Wesen hinter den Worten spüren.
Sie ist Schriftstellerin. Ich hatte noch nie ein Buch von ihr gelesen und gestehe, ich habe auch nicht danach gesucht. Warum auch immer.
Gestern Abend saß ich also um halb acht in dem kleinen Theaterraum, in dem die Lesung stattfinden sollte. Vor mir auf der Bühne ein Tisch mit einer Decke aus rotem Pannesamt, so ein Rot wie leuchtend reife Johannisbeeren, süß und herb gleichzeitig, nachhaltig im Geschmack.
Der Raum füllte sich. Dann kam eine Frau auf die Bühne. Ein Lächeln, das den ganzen Raum auszufüllen schien, weit, warm, echt. Und genau so wirkte alles, was sie über sich und ihre Bücher erzählte. Keine Ahnung, ob Ihr das kennt, ich selber hatte vorher erst einen Menschen getroffen, bei dem das der Fall ist, eine Freundin, die alle Herzen zu öffnen scheint, sobald sie zur Tür herein kommt. Hier auf der Bühne saß auch so eine, eine, die meinte, was sie sagte, die sich nicht verstellte und nicht auf Teufel komm raus gefallen wollte. Alleine davon war ich hin und weg.
Es war dunkel im Zuschauerraum, deshalb konnte man vermutlich mein Gesicht mit der Tischdecke um die Wette leuchten sehen, als die Moderatorin dann alle Aktivitäten und Funktionen der Autorin aufzählte und von ihren Bestsellern sprach, die teilweise in viele Sprachen übersetzt wurden.
Verdammt. Und ich Schaf hatte  keine Ahnung gehabt. Und das, obwohl ich selber schreibe. Okay, das ist wahrscheinlich mein Glück, denn hätte ich es gewusst, wäre ich vielleicht zu scheu gewesen, ihr einfach eine Facebook Freundanfrage zu schicken und hätte einen wunderbaren Abend verpasst.
Nach dem einleitenden Gespräch las sie dann aus ihrem neusten Buch „Das Traumbuch“
Sie tat das mit einer Leidenschaft, die zumindest mir das Gefühl vermittelte, sie lebte jedes einzelne Wort, das sie las, hauchte, schrie, oder summte. Ja, summte. Und dazu dieses große, freie Lachen.
Ihr meint, ich gerate jetzt ins Schwärmen? Wenn ihr die Gelegenheit habt, besucht einfach mal eine ihrer Lesungen. Ihr Umgang mit Sprache, mit Worten und der Stille zwischen den Worten, wäre auch dann noch ein Genuss, wenn sie die Sätze lakonisch vortrüge wie ein Telefonbuch.
Jetzt freue ich mich auf einige wunderbare Bücher. Mit dem Traumbuch werde ich anfangen, weil ich das Gefühl habe, es ist mir am nächsten. Dann „Die Mondspielerin“ und zuletzt „Das Lavendelzimmer“. Geschrieben wurden sie übrigens  in umgekehrter Reihenfolge.
Ich habe an diesem Abend viel gelernt, auch über mich selbst.

Danke, Nina George, für einen fantastischen, Herz öffnenden Abend und für einen Korb voll Inspiration. Und ja, es stimmt, manchmal sind es winzige Entscheidungen, die unsere Wege ändern, Dinge anders ablaufen lassen und das Leben beeinflussen, obwohl man es nicht immer gleich merkt. Das ist wie bei „Lola rennt“, es macht einen Unterschied, ob wir rechts in eine Straße einbiegen oder links über die Ampel gehen, zu welcher Zeit wir an welchem Ort sind, wen wir lieben und wen wir abweisen. Eine Erfahrung, für die mein Leben Zeuge ist.

Die Veranstaltung fand im Rahmen des Festivals Literatürk statt, und es ging dabei auch um Macht und Ohnmacht.  Mir ist einmal mehr klar geworden, dass Sprache, dass Worte, die wir sagen und die wir schreiben, eine nicht zu unterschätzende Macht bedeuten. Sprache und natürlich Musik. Deshalb zertrümmerte man dem Sänger Viktor Jara im Stadion von Santiago de Chile die Hände, um ihn am Gitarre spielen zu hindern. Am singen hinderte ihn das nicht. Darum tötete man ihn. Deshalb werden in Diktaturen oft Bücher und Texte verbrannt und deren Verfasser verhaftet, misshandelt oder ermordet. Und deshalb hat Nina George recht, wenn sie schreibt:
„Machen wir also weiter. Hören wir niemals auf zu schreiben.“

 

Literatürk Festival, Termine

Nina George Homepage

 

Als meine Mutter leuchtete

Ich habe gerade ein wunderbares Buch zu Ende gelesen, in dem es nicht nur, aber auch um den Tod ging. Es erinnerte mich an einen Text aus meinem ersten Buch „Mensch lernt von Mensch“ , den ich hier noch nie gepostet habe, einen Text über meine Mutter:

Als Meine Mutter leuchtete

Die Natur trägt ihr Spätsommerkleid. Das Laub der Bäume schimmert gelb und rot. Dem Leuchten haftet eine fragile Patina der Vergänglichkeit an. Wie ein zögerndes Lächeln huscht die Morgensonne in mein Fenster. Ich sitze mit meinem Morgenkaffee am Küchentisch, beobachte das Streifenmuster aus Licht und Schatten auf der Tischplatte. In den Lichtbahnen treten einige Brotkrümel zu Tage, die im Schatten kaum zu erkennen sind. Draußen zwitschern Vögel Lebensfreude in den Himmel. Sonnentrunken.

Der Kater hat heute Nacht auf den Küchenboden gepinkelt. Er ist nach einem Schlaganfall erblindet. Seitdem gleichen seine Sinne rostigen Messern, stumpf wie seine Krallen. Oft verliert er die Orientierung und läuft im Kreis, die Augen suchend auf den Boden gerichtet. Dann trage ich ihn zum Katzenklo oder in sein Körbchen. Vertraute Fixpunkte in seinem dunklen Universum. Von dort aus kann er sich an Wänden und Möbeln entlang durch die Räume tasten. Hin und wieder rollt er sich nach dem Fressen neben dem Futternapf zusammen und schläft ein. Sein Schnurren hebt sich vor jedem Atemzug zu einem kleinen, pfeifenden Keuchen.

Mir fällt es schwer, Alter und Verfall zu begegnen. Es weckt Mitleid in mir, gleichzeitig eine unbestimmte Wut, Gereiztheit und den Wunsch davonzulaufen. Ich mag dem Prozess des Sterbens nicht begegnen, dem unwillkommenen Ausblick auf die eigene Zukunft. Verweigertes Wissen.
Nicht nur die Kraft der Sinne scheint im Alter abzunehmen, alles verengt sich, wird kraftlos. Nach und nach versiegt der Lebenssaft und der Körper welkt wie die Blätter an den Bäumen. Glühendes Laub. Eigensinnige Schönheit des Sterbens in der Natur. Ein farbenprächtiger letzter Triumph. Der Anblick des Katers lässt mich an meine Mutter denken, an die Zeit, in der ihr Verfall unübersehbar wurde.
Zwei Wochen vor ihrem Tod saß sie in der Sonne auf dem Balkon, eingehüllt in ihren flauschigen Morgenmantel, in dem ihr zerbrechlich gewordener Körper zu verschwinden schien, als wolle er sich in sich selber zurückziehen. Das Blau des Mantels vertiefte die Farbe ihrer Augen. Unwillkürlich fühlte ich mich an kostbares Porzellan erinnert, das von vielen Lagen Seidenpapier umhüllt ist. Ihr Blick war nach Innen gerichtet wie in unbegreifliche Tiefen. Ihr feines, weißes Haar leuchtete in der Sonne. Eine hinfällige Fee.  Nie zuvor hatte ich sie so strahlend gesehen. Und nie wieder danach.

Sie hat mich geboren und genährt, aber ich habe sie nicht wirklich kennengelernt, nie ihr Wesen ergründet. Ich weiß nicht, ob sie sich selbst kannte, und ich erriet in all den Jahren nicht, wie sie für mich empfand. Meinte sie, mich zu verstehen und mir nahe zu sein, oder fühlte sie die Ferne ebenso wie ich? Vielleicht waren wir einander vertrauter, als wir ahnten oder zugeben wollten. Die Gefühle, die sie in mir weckte, als ich Kind war, sind mir entglitten, verblasst wie alte Fotos von ihr. Ich erinnere mich, dass ich als Erwachsene nicht wollte, dass sie mich berührte. Wir umarmten uns und vollzogen die üblichen Gesten, doch ich ließ nicht zu, dass sie mich im Wesen anrührte, mein Herz in Bewegung versetzte. Ich glaube, sie hat meine Befangenheit geteilt. Doch in diesem zeitlosen Moment auf dem Balkon vor dem Hintergrund des wolkenlosen Frühlingshimmels malte das Licht mit schmerzlicher Intensität die nicht gelebte Schönheit auf das Gesicht meiner Mutter. Ich entdeckte die Reinheit kindlicher Unschuld, ewig und vergänglich zugleich. Wie ein feines Messer drang sie unter meine Oberfläche. Ich sah das Kind in ihr, die erblühende Frau, die behütende Mutter, die Greisin. Ich ahnte, was sie war und mehr noch, was sie hätte sein können.

© gabriele auth

 

 

 

 

Tanz (aus Gründen)

Wo ist der Raum,
in dem wir tanzten,
als wär das Morgen
ein Phantom?
Wer stahl das Licht
aus unseren Augen
jetzt flutet Dunkelheit
den Traum.

Kommt, kommt
lasst uns tanzen
bis der Morgen den
Nachthimmel küsst.
Kommt, kommt
lasst uns lachen
bis das Herz
jeden Kummer vergisst.

Wo ist die Musik,
die für uns erklang,
als der Traum zu
den Sternen flog?
Wann sank das Lachen
wie Regen ins Meer?
Warum kommt die
Freude nicht zurück?

Kommt, kommt
lasst uns lachen
bis der Morgen den
Nachthimmel küsst.
kommt, kommt
lasst uns tanzen
bis das Herz
jeden Kummer vergisst.

© gabriele auth

Woanders

Wollte zum Abschied ein Lied für dich schreiben, ganz in Moll, nur in der Mitte heimlich einen Dur-Akkord. Verdammt, ich kann doch keine Noten und spiel kein Instrument. Du siehst, du solltest besser bleiben. Und außerdem ist Abschied nicht mein Element. Schon klar, damit bist du nicht zu erweichen. Vielleicht lern ich noch schnell Posaune, Akkordeon oder Klavier? Noch besser wär’ Gitarre. Ja. Drei bis vier Akkorde sollten reichen. Die merk ich mir und ging zum Terminal. Da würd’ ich singen, laut, falsch und ganz besonders schrill. Alle Leute würden’s hören und wissen, dass hier Einer ist, der weg geh’n will.  Ich würde ungeheuer peinlich sein. Schlimmer als bei Wahrheit oder Pflicht. Und weil kein Baum da wär, würde ich irgendwas erklimmen. Vielleicht eine Laterne. So genau weiß ich es gerade nicht. Verstörend dissonant ließ ich die Finger über Saiten holpern und stimmte alte Schlager an, Vicky Leandros, Udo Jürgens, vielleicht auch Freddy Quinn. Es gibt keine Laternen dort? Egal, ich würde trotzdem durch die Töne stolpern und du könntest nicht weg, weil du am Check-In  anstehst für den Flug nach Nirgendwo. Mal ehrlich, wer außer dir will denn da hin?
Du würdest dich noch umdreh’n, zu mir sagen: „Hör auf, mit dem Geheule, das ist so grottenschlecht, dass man am liebsten auf der Stelle sterben will“.  Und ich würd’ rufen: „Das geschieht dir recht. Bleib bloß nicht stehn. Geh weiter. Einfach weiter. Los hau schon ab. Ich will dich weg gehen sehn“.
Dann lachtest du, sähst mich an und sagtest: „Machs gut. Es war nicht schlimm mit dir.“
Ich würde schweigen. Und wenn du weg wärst, würde ich so tun, als ob ein Staubkorn mir ins Auge flog, würd drüber lachen…..ach, und überhaupt, du wärst ja gar nicht weg. Wärst nur Woanders. Das ist die Wahrheit.
Aber auch ein kleiner Selbstbetrug.

Drachenflug

Weil heute,
heute ist und
weil es regnet,
hab ich ein Lied
für dich gemacht
und weil Gedanken
Karussell fahr’n
wie wilde Kinder
an manchen Tagen
in mancher Nacht.

Bist nur ein Flüstern
im leeren Raum,
ein blasses Bild
an meiner Wand
ich weiß nicht,
ist es Wahrheit
oder Traum,
greif ich ins Leere
oder hältst du
meine Hand?

In meinem Kopf
geh ich an Orte
die wir zusammen
einst geliebt,
wenn du jetzt
vor mir stündest,
fehlten uns die Worte?
Würden wir lachen,
oder wäre unser
Blick getrübt?

Gäb’ es
den Funken noch,
der früher
uns reden, lachen,
lieben ließ,
als wir auf Wellen
von Ideen flogen
wir waren,
Feuerdrachen,
die Welt ein Paradies.

Weil heute,
heute ist und
weil es regnet,
hab ich ein Lied
für dich gemacht
und weil Gedanken
Karussell fahr’n
wie wilde Kinder
an manchen Tagen
in mancher Nacht.

© Gabriele Auth

 

Traum (eine Notiz)

Traum im
Traum
im
Traum
Zerbrochene Flügel
Gläserner Raum
Ein verpixeltes Bild
von Liebe
das Herz
Traum im
Traum
im
Traum
Verstand gesperrt
in Gedanken
Den Schlüssel verloren
im Raum
Gefallen
in den
multiversalen
Traum im
Traum
im
Traum

Ist

Fast alles, was wir zu wissen meinen,
Spekulation.
Der Rest eine Mischung aus Fetzen
von Erkennen und
Schweigen.

Das meiste, was wir
über andere denken,
Ein Spiegelbild.
Der Rest ein Potpourri aus
echter Wahrnehmung
und Illusion.

Was wir wollen und meinen,
was wir fühlen und,
wie wir scheinen,
ob wir schreien oder flüstern.
Nur Metaphern für das Leben.
Für Abneigung und Sympathie,
für Morgen und für Gestern.

Was wir uns
nicht zu denken trauen,
nicht zu fühlen wagen,
nicht sehen oder
erkennen wollen.
Wahrheit.

Was wir wissen könnten,
wenn wir furchtlos wären,
wirklich sehen würden,
wach und urteilsfrei,
ist Liebe, sind wir selbst,
ist jetzt.
Ist.

© gabriele auth

Manchmal ist es eben Liebe

Manche Menschen sind dir von Anfang an nicht wirklich nahe, aber du entwickelst eine Vorstellung von Nähe und Gemeinschaft, hältst die Beziehung künstlich am Leben wie einen Koma Patienten, bis du begreifst, dass da nie echte Nähe war und das, was du für Freundschaft hieltest, nur eine verkleidete Bekanntschaft. Es piekst, wenn sie gehen, aber es tut nicht weh.

Dann gibt es die, die dich umklammern, über deine Grenzen hinweg , die dir die Luft zum Atmen nehmen. Du fühlst dich befreit, wenn ihr euch verabschiedet und staunst darüber, das nie geahnt zu haben. Doch wenn du ehrlich bist, war da immer so ein komisches Gefühl, ein Klebriges irgendwie.

Andere begleiten dich fast ein Leben lang, und selbst, wenn du sie nur selten siehst, ist es jedesmal, als wäre es erst gestern gewesen. Da ist eine seltsame Vertrautheit, die euch nie verloren geht und die euch wärmt.

Und dann sind da die, die zu dir gehören wie dein eigenes Lachen. Immer, wenn du glaubst, sie zu kennen, entdeckst du neue Facetten, überraschende Seiten und eure Gemeinschaft vertieft sich bis zu den Wurzeln.

Manchmal ist es  eben Liebe.

Wenn

Immer das schöne Händchen geben. Danke, und Bitte sagen.
Der Kuss von Onkel Jochen ist okay, auch wenn er nass und glitschig ist.
Putz dir die Nase. Halt den Mund, wenn Große reden.
Hör auf zu heulen, Indianer kennen keinen Schmerz.
Und keine Widerworte geben. Wer nicht hören will muss fühlen.
Wenn du nicht brav bist setzt es was.
Um acht Zuhause sein, sonst gibt es eine Woche Hausarrest.
So gehst du mir nicht aus dem Haus.
Wasch dir die Schminke ab.
Los, runter mit dem roten Nagellack und Lippenstift.
Siehst aus wie eine Hure.
Was sollen denn die Leute denken?
Wenn du dich nicht benimmst, fällt das auf uns zurück.
Die Leute reden über dich und wie du immer rumläufst.

Die Leute reden, reden, reden, die Leute, alles für die Leute.

Fenster stets sauber halten, die Gardinen  mit Nadeln straff gesteckt.
Und jede zweite Woche wird der Flur geputzt.
Zwei Mal.
Das Lächeln gründlich festgezurrt, wenn dich die Leute grüßen.
Nur leise weinen, wenn er dich wieder schlägt, weil er getrunken hat
und seine Arbeit ihm die Seele raubt.

Was sollen denn die Leute denken, wenn du schreist?
Was hinter euren Mauern los ist, geht doch keinen etwas an.

Und dann?

Und dann, wenn die Fassade Risse hat, wenn plötzlich du im Licht stehst,
dein verquollenes Gesicht den Blicken ausgesetzt?
Wenn die Leute hastig zur Seite blicken, verlegen, die Neugier hinter vorgehaltner Hand versteckt?
Wenn die Fassaden bröckeln?
Wenn die Mauern fallen?
Wenn jeder sieht wie schwach du bist und wie berührbar?
Wenn du die Tränen von den Wangen wischt und fortgehst?

Was sollen denn die Leute denken?
Wenn du frei bist?

 

Glück gehabt

Paranoia Mädchen
folgt dem
weißen Kaninchen
traumverloren im
Scheinwerferlicht,
hey, lass uns feiern,
die Titanic sinkt
ein anderes Mal
schau, Godot hockt
draußen vor der Tür,
und regennass glänzt
eine Lichterkette
am Weihnachtsbaum
im Vorgarten.
Glück gehabt, und
Fröhliche Weihnachten