Strandgut

Ein kleiner Junge allein am Strand.
Er liegt auf dem Bauch, die Beine angezogen
wie Kleinkinder es oft tun, wenn sie schlafen.
Sein rotes T-Shirt ist ein bisschen hochgerutscht.
Es ist nass, genau wie seine feinen, dunklen Haare.
Genau wie seine blaue Hose und seine Schuhe.
Er scheint zu schlafen, aber er wird nicht erwachen.
Das Meer wiegte ihn in den Armen. Es trug ihn an den Strand.
Er saß in einem Boot mit seinen Eltern, seiner Schwester und Anderen.
Die Hoffnung auf ein neues Leben, ein Leben in Frieden, trieb sie aufs Meer .

Ein kleiner Junge allein am Strand.
Mutter und die Schwester hat das Meer genommen.
Sie sind allein, der kleine Junge und der Vater, der übrig blieb.
Der Eine wird nie mehr lernen, zu verstehen.  Der andere hat es verlernt.
Sie sind zwei von vielen. Kinder, Mütter und Väter, deren Gesichter und Namen verborgen sind
hinter Zahlen, hundert, tausend, zwanzigtausend, achthunderttausend,  Millionen.

Ein kleiner Junge allein am Strand.
Er heißt Ailan. Sein Bild geht um die Welt.
Es steht für die all die Gesichter und Namen hinter den Zahlen.
Sein Bild klagt an, die Politik der Zäune, der Mauern, der unmenschlichen Verträge und Quoten, den Geiz, die Gier und die stählernen Herzen.
Sein Bild demaskiert die scheinheiligen Phrasen und freundlichen Worte derer, die von Asylbetrug sprechen und werft sie raus meinen, oder lasst sie gar nicht erst herein.
Sein Bild brandmarkt die Stammtischparolen und die Brandsätze der ewig gestrigen, der Verlierer eines untergegangenen Reiches, das niemals hätte existieren dürfen.
Ailan wurde drei Jahre alt.
Ein kleiner Junge allein am Strand

2 Gedanken zu “Strandgut

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